Der 117. Deut­scher Ärz­te­tag for­dert, dass die Ver­ur­sa­cher von Flug- und Ver­kehrs­lärm bei dadurch indu­zier­ten Krank­hei­ten in maß­geb­li­cher Wei­se an den not­wen­di­gen Behand­lungs­kos­ten betei­ligt werden

1.6.2014

Der 117. Deut­sche Ärz­te­tag ver­öf­fent­lich­te soeben eine Ent­schlie­ßung zu Thema:

 

Lär­m­in­du­zier­te Gesundheitsschäden

Auf Antrag von Dr. Bern­hard Len­hard, Dipl.-Med. Ste­fan Andrusch, Dr. Gün­ther Mat­heis, PD Dr. Chris­ti­ne Schnee­milch, Dr. Wolf­gang Rechl und Dr. Joa­chim Cal­les (Druck­sa­che VII – 79) fasst der 117. Deut­sche Ärz­te­tag fol­gen­de Entschließung:

Der 117. Deut­sche Ärz­te­tag 2014 for­dert die Poli­ti­ker in den Bun­des­län­dern und in der Bun­des­re­gie­rung auf, dafür zu sor­gen, dass die Ver­ur­sa­cher von Flug- und Ver­kehrs­lärm bei dadurch indu­zier­ten Krank­hei­ten in maß­geb­li­cher Wei­se an den not­wen­di­gen Behand­lungs­kos­ten betei­ligt wer­den. Dem Ver­si­cher­ten­sys­tem dür­fen nicht mehr meh­re­re 100 Mil­lio­nen Euro pro Jahr ent­zo­gen wer­den. Die ein­schlä­gi­gen Geset­ze zum Schutz vor Lärm sind so anzu­pas­sen, dass Gesund­heits­ge­fah­ren aktiv und umfas­send ver­mie­den werden.

Bund und Län­der haben ihre Ver­ant­wor­tung wahr­zu­neh­men, die Bei­trä­ge der Ver­si­cher­ten aus­schließ­lich für die Gesund­heits­ver­sor­gung zu ver­wen­den, Risi­ken müs­sen den Ver­ur­sa­chern zuge­rech­net werden.

Die För­de­rung gesund­heits­schä­di­gen­der Wirt­schafts­be­trie­be kann und darf nie­mals zu Las­ten drin­gend not­wen­di­ger För­de­rung der medi­zi­ni­schen Infra­struk­tur gehen. Es kann nicht sein, dass zum Bei­spiel Flug­hä­fen, deren Betrieb Men­schen krank macht, antei­lig mehr För­der­gel­der erhal­ten als Kli­ni­ken, in denen Men­schen behan­delt und geheilt wer­den sol­len. Dies macht das Bei­spiel der Unter­fi­nan­zie­rung der Uni­ver­si­täts­kli­nik Hal­le deutlich.

Begrün­dung:
Der 115. Deut­sche Ärz­te­tag hat 2012 in einem Beschluss den Schutz der Bevöl­ke­rung vor Flug­lärm und ande­ren Lärm­quel­len gefor­dert. Die Adres­sa­ten in Bund und Län­dern haben bis­lang kei­ne Ver­bes­se­run­gen bewirkt. Der Hand­lungs­be­darf zum Schutz der Bevöl­ke­rung wur­de im Mai 2014 in einem Son­der­gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen­ra­tes für Umwelt­fra­gen (SRU) aus­führ­lich dar­ge­legt [1] [2]. Seit dem Ärz­te­tag 2012 lie­gen mehr und mehr Stu­di­en und Daten vor, die die Aus­wir­kun­gen der (Flug-)Lärmproblematik auf die Gesund­heit und auch auf die Finan­zie­rung des Gesund­heits­sys­tems deut­lich machen.
Vor eini­gen Mona­ten wur­de eine Stu­die [3] vor­ge­stellt, die die Kos­ten, die dem Kran­ken­ver­si­che­rungs­sys­tem durch Lärm und ande­re Flug­zeug­emis­sio­nen ent­ste­hen, allei­ne für Frankfurt/Main auf 160 Mil­lio­nen Euro pro Jahr bezif­fert. Das heißt nichts ande­res, als dass den Ärz­ten im Groß­raum Frank­furt die­se 160 Mil­lio­nen Euro jedes Jahr in den Bud­gets fehlen.

In allen Städ­ten in Deutsch­land, die über gro­ße Flug­hä­fen ver­fü­gen, bestehen ver­gleich­ba­re Kos­ten und Pro­ble­me [4]. Dadurch, dass durch ver­meid­ba­ren (Flug-)Verkehrslärm aus­ge­lös­te Krank­hei­ten aus Ver­si­cher­ten­gel­dern bezahlt wer­den, wird der Ärz­te­schaft und dem Gesund­heits­sys­tem über­all in Deutsch­land aus den begrenz­ten Bud­gets mit Bil­li­gung der Ver­ant­wort­li­chen in der Poli­tik Geld entzogen.
Haus- und Fach­ärz­te in den Pra­xen und Kran­ken­häu­sern opfern damit einen Teil ihres knap­pen Budgets.

Aus Sicht der Ärz­te ist es unver­ant­wort­lich, wenn krank­ma­chen­de Wirt­schafts­zwei­ge finan­zi­ell geför­dert wer­den und die Gesund­heits­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung aktiv dar­un­ter lei­det. Aus Sicht der Ärz­te­schaft besteht die gro­tes­ke Situa­ti­on, dass, wie zum Bei­spiel in
Sachsen-Anhalt, das Land als Anteils­eig­ner der Mit­tel­deut­schen Flug­ha­fen AG [5] Steu­er­mit­tel in den Flug­ha­fen Leipzig/Halle lenkt, an ande­rer Stel­le aber das glei­che Land dann kein Geld für die Finan­zie­rung der Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken Hal­le und Mag­de­burg hat, die drin­gend benö­tigt wird, um Medi­zi­ner aus­zu­bil­den und auch durch Flug­lärm erkrank­te Men­schen behan­deln zu können.
Das bis­her von den Lan­des­re­gie­run­gen und der Bun­des­re­gie­rung gedul­de­te Vor­ge­hen ver­schie­de­ner Wirt­schafts­zwei­ge führt dazu, dass Men­schen, die wider bes­se­ren Wis­sens gesund­heit­li­chen Risi­ken durch Lärm aus­ge­setzt sind, zu Las­ten vor allem der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung GKV) behan­delt wer­den müs­sen. Über­all in Deutsch­land wer­den Haus- und Fach­ärz­ten in den Pra­xen und medinischen
Ver­sor­gungs­zen­tren (MVZ), in den Kran­ken­häu­sern und in allen ande­ren Berei­chen somit Krank­heits­kos­ten auf­ge­bür­det, die von den Ver­ur­sa­chern der Gesund­heits­ri­si­ken bezahlt wer­den müssten.
Der gesam­ten Gesund­heits­ver­sor­gung wird seit Jah­ren mehr und mehr spar­sa­mes Wirt­schaf­ten abver­langt – im Ergeb­nis zu Las­ten der Pati­en­ten. Ärz­te und Kran­ken­häu­ser wer­den immer schär­fer regle­men­tiert, nie­der­ge­las­se­ne Ärz­te haf­ten per­sön­lich mit ihrem Pri­vat­ver­mö­gen für die Behand­lung und gera­ten in Regres­se – aber die Ver­ur­sa­cher die­ser Kos­ten­pro­ble­me lässt man unkon­trol­liert gewähren.

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[1] Kurz­fas­sung des SRU-Gutachtens

[2] Lang­fas­sung des SRU-Gutachtens
Der Sach­ver­stän­di­gen­rat für Umwelt­fra­gen (SRU), auch bekannt als Umwelt­rat, ist ein wis­sen­schaft­li­ches Bera­tungs­gre­mi­um der deut­schen Bun­des­re­gie­rung. Der SRU begut­ach­tet die Umwelt­si­tua­ti­on in Deutsch­land und berät die Bun­des­re­gie­rung hin­sicht­lich ihrer zukünf­ti­gen Umweltpolitik.

[3] Sozia­le und öko­no­mi­sche Fol­gen nächt­li­chen Flug­lärms im Umfeld des Flug­ha­fens Frankfurt/Main

[4] u.a. Ham­burg, Ber­lin, Bre­men, Düs­sel­dorf, Köln/Bonn, Frankfurt/Main, Halle/Leipzig, Han­no­ver, Mün­chen, Münster/Osnabrück, Stutt­gart, Hahn, Erfurt, Dresden

[5] http://www.adv.aero/fileadmin/pdf/Wirtschaft_u_Recht/Gesellschafter_und_Beteiligungsverhaeltnisse_-_IVF_August_2013.pdf

 

117. Deut­scher Ärz­te­tag 2014 Ent­schlies­sung zu lär­m­in­du­zier­ten Gesundheitsschäden

Ärztetag 2014

 

 

 

 

 

 

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