Autor: Dr. Marz
In einem Brief an den Kreisvorsitzenden der CDU Berlin-Köpenick, Herrn Fritz Niedergesäß, vom 30. September 2013 erinnern wir, die Friedrichshagener Bürgerinitiative, an dessen Wahlversprechen, an ein Nachtflugverbot und an verbesserte Flugrouten.
Ferner wird Herr Niedergesäß auf einen neuen Standort angesprochen und die Bitte geäußert, auf einer der nächsten Montagsdemonstrationen / Mahnwachen teilzunehmen. Sind Sie heute hier, Herr Niedergesäß? Nein? Oder doch, verkleidet?
Wir tun jetzt so, als wären Sie anwesend.
Sie teilten uns in Ihrem Brief vom 10.10.2013 mit, dass Sie seit 40 Jahren in Bohnsdorf, Waltersdorfer Strasse, wohnen und einst den ungeheuren Belastungen durch die ehemalige Nordbahn ndes Flughafens Schönefeld ausgesetzt waren. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus am 9. November 1989, wie Sie schreiben, gründeten Sie eine Bürgerinitiative, die dafür sorgte, dass die Nordbahn stillgelegt wurde. Dieses Engagement brachte Sie in die Politik.
Von 1990 an waren Sie als Vertreter der CDU Mitglied des Abgeordnetenhauses. Die Große Koalition aus CDU und SPD in Berlin war sich einig, dass die innerstädtischen Flughäfen geschlossen werden müssen. CDU und SPD favorisierten recht schnell Sperenberg oder Jüterbog Ost. Ein Raumordnungsverfahren
musste eingeleitet werden. Nun machen Sie in ihrem Antwortbrief den ersten Fehler. Das Raumordnungsverfahren dauerte keine 5 Jahre, sondern wurde
vom 28.06.1993 bis zum 17.11.1994 durchgeführt und war folglich nach 1,5 Jahren abgeschlossen. Die von Ihnen zitierten Anträge der Parteien haben demnach das Verfahren weder beschleunigt noch beeinflusst.
Im zweiten Teil des Briefes findet man die gegenwärtige Position von Ihnen.
1. Sie sind auch nach der Wahl noch für ein Nachtflugverbot.
Prima!
2. Sie sind weiterhin gegen eine Flugroute über den Müggelsee.
Sehr gut!
3. Der Standort Sperenberg ist in den nächsten 30 Jahren nicht mehr umsetzbar.
Das empört mich!
4. Die CDU hat sich immer für die Offenhaltung von Tempelhof und Tegel eingesetzt. An dieser Stelle machen Sie den vierten Patzer, da sie am Anfang des Briefes die Schließung der innerstädtischen Flughäfen betonen.
Heute ist die CDU Treptow-Köpenick für die grundsätzliche Offenhaltung von Tegel, schreiben Sie.
Damit sollen vermutlich die Forderungen von Wissmann aus dem Jahre 1996 umgesetzt werden!
Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens lautete: Der Standort Schönefeld-Süd entspricht nicht den raumordnerischen Belangen des Landes Brandenburg und ist auf Grund der Lärmbelastung von 30.000 Menschen und unumgehbaren Umsiedlungen unter keinen Maßgaben akzeptabel. Weder der Weiterbetrieb der jetzigen drei Berliner Flughäfen (Nullvariante), noch der vorrangige Ausbau von Schönefeld (Integrationsmodell) können auf Grund der enormen Belastung der Bevölkerung als Alternative für den neuen Flughafen gelten. Herr des Verfahrens war der Umweltminister Platzeck, damals noch Bündnis 90/Die Grünen, wie Sie betonen.
In diesem Zusammenhang folgt bei Ihnen die In diesem Zusammenhang folgt bei Ihnen die zweite Inkorrektheit: Das Mediationsverfahren im Auftrag des Landes Brandenburg, welches von 1993 bis 1996 durchgeführt wurde, findet bei Ihnen keine Erwähnung. Wir waren uns im Rahmen des Verfahrens einig, dass es zu Sperenberg keine Alternative gibt. Ich war von Beginn an als Vertreter des Bezirksamtes Köpenick beteiligt; meine Vertreterin war übrigens Frau Michaelis. Selbst Diepgen und Stolpe einigten sich im Jahre 1995, wie Sie, Herr Niedergesäß, betonen, auf Sperenberg. Wer also war der Urheber für den unsinnigen Bau des Flughafens in Schönefeld? Natürlich nicht die Grünen und die Linken, wie Sie in Ihren Brief behaupten.
Nun folgt der dritte Missgriff. Der Konsensbeschluss vom 28.05.1996 ist nach Ihnen nur eine Empfehlung an die Flughafengesellschaft. Wie er zustande kam und welche fundamentalen Auswirkungen er hatte, wird von Ihnen im Brief verschwiegen.
Ich will Ihnen das erklären: Die Ergebnisse des Mediationsverfahrens wurden nämlich Anfang 1996 an den Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU), an Eberhard Diepgen (CDU) und Manfred Stolpe (SPD) persönlich übergeben. Darauf folgte der Konsensbeschluss: Der Standort Schönefeld wird als Single Flughafen unter Nutzung der vorhandenen Flughafeneinrichtungen entwickelt (Integrationskonzept). Warum wurde so entschieden?
Der Bundesverkehrsminister Wissmann war in den Aufsichtsräten der Flughäfen Frankfurt und München und wollte verhindern, dass im Osten ein weiteres Drehkreuz entsteht. Mit dem Standort Schönefeld soll ein Flughafen geschaffen werden, der nur eine Zubringerfunktion hat.
Was passierte nach dem Konsensbeschluss?
- Es gab keinen Bürgerdialog im Rahmen des Mediationsverfahrens mehr.
- Diepgen machte sich selbst zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates vom Flughafen Schönefeld, um jede Kritik am Konsensbeschluss zu unterbinden.
- Die Parteien CDU und SPD und ihre Mitglieder sind nun alle für den Standort Schönefeld. Der berühmteste Umfaller des Bezirksist Siegfried Scheffler (SPD), der am 10. März 1999 im Rathaus Köpenick wörtlich sagte: „Ich habe mich vor drei Jahren gegen den Ausbau des Flughafens in Schönefeld ausgesprochen. Der indessen gefasste Konsensbeschluss ist nicht mehr umzukehren und somit bindend.“ So verhielten sich viele, mit denen ich vor dem Konsensbeschluss demonstriert und protestiert habe.
- Auch die Grünen konkretisieren sich am 29.08.1996, wie Sie uns mitteilen: Auf den Bau eines Großflughafens in Sperenberg soll verzichtet und stattdessen in Schönefeld die Flughafenkonzeption eines Single-Airport realisiert werden.
Kommen wir zu weiteren Stellen in Ihrem Brief, in denen steht: Im Juni 2001 wird die Regierung Diepgen gestürzt und im Januar 2002 eine Regierung aus SPD und PDS vereidigt. Da zu diesem Zeitpunkt, wie es bei Ihnen heißt, im Bund die Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen und im Land Berlin SPD und PDS regierte, in Brandenburg Matthias Platzeck Ministerpräsident war, hätte man sich alle Wünsche nach einem anderen Standort erfüllen können.
Da gebe ich Ihnen Recht. Denn nun kommen neue Umfaller hinzu, wie Harald Wolf und Jutta Matuschek (beide PDS). Gefallen hat mir Ihr Satz: „Wäre die CDU zu diesem Zeitpunkt im Land Berlin in der Regierungsverantwortung gewesen, hätte sie wahrscheinlich auch keine andere Entscheidung treffen können.“ Dass soll Demokratie sein? Alle Parteien entscheiden gegen den Sachverstand und knicken als Diener vor der Wirtschaft ein.